Samstag, 24. Januar 2009
 
Wien: Pankahyttn - Management by Chaos PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl   
Donnerstag, 8. Mai 2008

Die drei Festnahmen vor der Pankahyttn bei der Mayday-Parade am 1.Mai kann man als Ergebnis einer recht seltsamen Rathauspolitik betrachten.

Bei der MayDay-Parade gegen Prekarisierung und für bedingungsloses Grundeinkommen am 1.Mai kam es zu wilden Szenen mit der Polizei. Diese hatte bei der Ankunft der Parade den Zugang zur Pankayttn in der Johnstraße das von den Punks der Stadt abgetrotzte Haus hermetisch abgesperrt. Die Argumentation der Polizei vor Ort: Sozialstadträtin Sonja Wehsely hätte verordnet, daß niemand, der nicht in dem Haus wohne, es betreten dürfe. Außerdem wolle man das Haus vor einer Horde deutscher Autonomer schützen, die es besetzen wollte. Die Punks dazu in einer Stellungnahme: “Wie wurden also nicht kriminalisiert, sondern beschützt — total bescheuert! In den Augen der Stadt sind wir also die Guten und die Demo die Bösen.”

Einer seltsamen Weisung der Politik folgte eine hilflose Umsetzung durch die Polizei, die einfach niemanden rein in das oder raus aus dem Haus lassen wollte. Die Eskalation war damit absehbar: Eine Scheibe des Sozialbetreuungscontainers vor dem Haus ging zu Bruch — es setzte Hiebe und 2 Festnahmen. Bei der anschließenden Häfndemo vor dem Kommissariat Tannengasse gab es eine weitere Festnahme.

Cui bono?

Der Hintergrund all dessen bleibt auf den ersten Blick rätselhaft. Wozu sollte eine rathausgesteuerte Eskalation gut sein? Schließlich nutzt eine Prügelei mit der Polizei doch nur der FPÖ, die seit Monaten gegen die Hyttn hetzt — und gegen die SPÖ, die das Heim der Punks widerwillig installiert hatte.

So seltsam es klingt, es gibt eine mögliche Erklärung des Geschehenen, als da wäre, daß das Rathaus die Pankahyttn jetzt gar nicht mehr als solche ansieht.

Zur Vorgeschichte: Die Punks hatten eineinhalb Jahre lang etliche Häuser in Wien besetzt, um ihrer Forderung nach einem eigenen Haus Nachdruck zu verleihen. Letztendlich gab das Rathaus nach und ließ das baufällige Haus in der Johnstraße notdürftig bezugsfertig machen. Der Öffentlichkeit verkaufte Wehsely das Projekt als Resozialisierungsmaßnahme, den Punx aber als Haus, wo sie tun könnten, was sie wollen: Gemeinsam und selbstbestimmt leben. Sie hätten lediglich eine Sozialbetreuungsstelle an Ort und Stelle zu akzeptieren, die vorerst in einem Container vor dem Haus installiert wurde. Das war im Herbst letzten Jahres.

“Sozial Verwahrloste”

In den letzten Monaten kristallisierte sich immer mehr doch die Sozialbetreuungsschiene heraus. Plötzlich will der unmittelbar zuständige Fonds Soziales Wien (FSW) nichts mehr von einer Pankahyttn wissen und spricht von einem Mißverständnis. Denn das Projekt sei in Wirklichkeit “ein Wohnprojekt für junge Erwachsene, sozial Verwahrloste und gesundheitlich Gefährdete” meint Florian Winkler vom FSW gegenüber dem Jugendmagazin chilli.at. Ziel sei die Resozialisierung und damit das baldige Wiederausziehen der Punx aus dem Haus.

Nur sind die Punx halt nicht unter diesen Bedingungen eingezogen und fühlen sich jetzt “verarscht”. Aber nicht nur durch die Täuschung und Bevormundung, sondern auch dadurch, wie die Stadt mit ihrer Definition nach “sozial Verwahrlosten und gesundheitlich Gefährdeten” umgeht. Denn ein Teil des baufälligen Hauses ist überhaupt nicht bewohnbar, im Rest teilen sich über 25 Menschen und ihre Hunde 12 Zimmer und 3 Kabinette unter alles anderem als gesunden Bedingungen — selbst Türen mußten notdürftig durch Decken ersetzt werden. Die Punx mußten nach eigenen Angaben 3000 Euro aus eigener Tasche locker machen, um wenigstens ein bißchen Bewohnbarkeit herzustellen — auf einen versprochenen Kostenersatz warten sie seit Monaten.

Gleichzeitig versucht sich der FSW die totale Kontrolle über das Haus zu bewahren: Nach wie vor gibt es keine Mietverträge mit den Punx (schließlich sollen sie ja möglichst bald wieder ausziehen) und diese können sich deswegen nicht mal polizeilich melden, leben also im rechtlich luftleeren Raum. Auch will der FSW bestimmen können, wer bei seinem Heim für unbotmäßige Zöglinge ein- und ausgeht.

So ergibt sich aber für die Sperrketten vor dem Haus am 1.Mai plötzlich ein Sinn, ganz nach dem Motto: “Wir wollen euch unter Kontrolle halten, damit ihr keinen schädlichen Einflüssen ausgesetzt seid!” Denn die Pläne des Rathauses gehen ja noch viel weiter: Die komplette Sozialanlaufstelle “Axxept”, die bislang in der Mariahilfer Windmühlgasse residierte, soll jetzt in die Johnstraße verlegt werden — mit 24-Stunden-Dienst und zusätzlichem Betreuungsmandat für jugendliche Drogenabhängige. Die Punks vermuten eine Doppelstrategie dahinter: Durch Vermischung der beiden Szenen kann man einerseits die Punks besser kriminalisieren und andererseits sie noch weiter in das Eck der zu betreuenden “Klienten” treiben. Tatsächlich wird das aus Sicht des Rathauses auch dringend nötig sein, denn diese Punks wollen von sich aus partout nicht “klientös” werden. Sie sind nämlich alles andere als verwahrlost, sondern bilden seit zumindest zwei Jahren eine gefestigte soziale Gruppe, deren Mitglieder sich trotz aller Widrigkeiten eben nicht gegenseitig den Schädel einhauen — vielleicht sogar vorbildhaft für eine Gesellschaft, in der der Ellbogen zum hervorragendsten Körperteil geworden ist; sicher aber unbrauchbar für die Sicherung von Arbeitsplätzen betreuungswütiger Sozialarbeiter.

Trübe Aussichten

Wie es weitergehen kann? Die Punks werden sich so leicht nicht unterkriegen lassen. Andererseits sprechen hartnäckige Gerüchte davon, daß das Projekt von Anfang an nur dafür gedacht war, die Punks während der Fußball-EM von der Straße zu bekommen — und daß das Haus nachher geräumt werden solle. Das wiederum paßt überhaupt nicht zusammen mit dem Umzug des Axxept in das Gebäude.

Wie sich die letztveranwortliche Stadträtin Wehsely aus dieser Affäre ziehen möchte, bleibt abzuwarten. Sie wird es auf alle Fälle möglichst karriereschonend zu gestalten suchen. Denn analog zu ihrem Bundesparteivorsitzenden hat schließlich auch sie — so war aus äußerst glaubwürdigen Quellen zu erfahren — schon als kleines Kind erklärt, einmal Bundeskanzlerin werden zu wollen.

< zurück   weiter >